etatismus: wie der staat den kapitalismus retten soll

Ich bin immer wieder überrascht über die deutsche Staatsgläubigkeit. Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass, der diesmal für Rot-Grün in den Wahlkampf zieht, will jetzt sogar den globalen Kapitalismus vor sich selbst schützen.

Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass der Kapitalismus sich nicht selbst zerstört.

"Wir" heißt natürlich der Staat. Und der Staat, das sind die Parteien auf der einen und die Bürokraten auf der anderen Seite.

Doch erst einmal zu Herrn Grass: Ich finde es gar nicht schlimm, dass er sich auf seine alten Tage zum Kapitalismus-Retter machen will, das kann er meinetwegen tun. Auch sein Alarmismus bezüglich der aktuellen Situation von Global Playern wie Enron, Worldcom oder Vivendi ist okay. In der Tat erleben wir derzeit eine Neubewertung der Frage, was unsere Wirtschaft eigentlich wert ist und wie sie in Zukunft aussehen könnte.

Aber ich glaube es ist völlig überzogen, vom "Erodieren" des Kapitalismus zu sprechen. Es zeigt im Gegenteil, das der Kapitalismus sehr lebendig ist und funktioniert. Die Reaktionen der Börse und der Wirtschaft allgemein sind weder unfehlbar noch immer völlig rational, aber im Endeffekt generieren sich immer wieder rationale und realitätsnahe Zustände. Wenn ich mir die DAX 30-Unternehmen anschaue, glaube ich zum Beispiel, dass ein DAX bei 3000 den Wert dieser Unternehmen am ehesten widerspiegeln würde. Ich würde jedenfalls in kein einziges dieser Unternehmen investieren, weder in die Bankditen noch in die Versicherer oder die anderen Old-Economy-Kolosse, die durch das Scheitern der NE ja keinesfalls besser geworden sind.

Absolut daneben ist jedoch, ausgerechnet dem Staat die Fähigkeit zuzutrauen, die Wirtschaft zu heilen. Der Staat kann sich ja nicht einmal selbst reformieren. Grass folgt hier einem sehr unreflektierten Etatismus, der sich quer durch alle Parteien und Strömungen zieht und den man vielleicht als sozialdemokratisches Heilungsversprechen bezeichnen könnte: Wir nehmen jede Ungerechtigkeit der Welt auf unsere Schultern und alles wird gut. Nein, gar nichts wird gut. Es wird nur neu verwaltet. Und was verwaltet wird, erstickt. Es ist wirklich nicht chic hier zu Lande, eine liberale Haltung zu propagieren, weil diese unselige FDP existiert, aber deshalb muss man doch nicht immer noch an den Staat glauben. Der Staat ist eine sehr ineffektive, teure und nur selten gut funktionierende Organisation. Mein Gott, das weiß doch im Grunde jeder. Und trotzdem immer und immer wieder nach dem Staat zu schreien ist doch mehr als blöd. Aber dann ist da immer die Angst, den Leuten Selbstverantwortung abzuverlangen.