Arbeit lohnt sich nicht

Gerade in der Tagesschau gemeldet: Wer zwischen 35 und 50 000 Euro im Jahr verdient, bezahlt zwischen 60 und 66 Prozent Steuern und Sozialabgaben. Das hat jemand für die WAZ herausgefunden. (Die Meldung ist weder an der einen noch der anderen Stelle zu finden, deshalb kein Link.) Die Zahl deckt sich mit meinen eigenen Erfahrungen aus der Zeit, als ich noch ein aufstrebender Angestellter war. Wenn du 50 000 Euro verdienst, sind 55 Prozent sofort runter. Und da ist nicht etwa der Arbeitgeberanteil mit drin, der kommt noch dazu. Der Rest sind halt indirekte Steuern, also Mehrwert-, Tabak-, Mineralöl-, Ökosteuer usw. Wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt, heißt das: Von 50 000 Euro im Jahr kannst du nur knapp 17 000 Euro für dich behalten. Das sind knapp 1500 pro Monat. Rechne jetzt die Miete und die anderen Fixkosten ab. Bleiben 500 übrig. Ja dafür lohnt es sich doch nicht zu arbeiten? Da gehste doch besser gleich zum Sozialamt, da ist die Miete auch schon drin. Keine Sorgen mehr, ab und zu ein bisschen Schwarzarbeit, fertig ist das süße Leben.

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Heute ist wieder B-Day

Heute ist Behördentag. Und ich ahne Schlimmes. Nach dem gescheiterten Versuch, unsere Tochter nach der Geburt zu einem amtlich anerkannten Mitglied der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu machen, folgt heute der zweite und hoffentlich erfolgreichere Teil. Wir haben heute, nach immerhin schon zwei Monaten, den Termin. Zur Erinnerung: Das Kind soll den Namen des Vaters tragen, das ist die unüberwindliche Hürde des Amtes :-) Möglicherweise können wir ja ab übermorgen die Kleine endlich versichern, oder die Anträge auf Kindergeld usw. stellen. Das wäre ja mal was.

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Die große Waterkantville-Wahlempfehlung

Lange Zeit habe ich ja mit dem Gedanken geliebäugelt, diesmal nicht zur Wahl zu gehen. Die Alternativen sind einfach zu wenig sexy. Jetzt, wo alles so knapp ausgehen wird, und unter dem Druck der ständigen Berichterstattung und Wahlkämpferei, werde ich am Sonntag wohl doch meine beiden Stimmen wieder abgeben. Aber wem? Hier kommt die offizielle Wahlempfehlung von Waterkantville.

Vorher jedoch ein kurzes Für und Wider.

CDU/CSU Pro: Eigentlich nichts. Der einzige erkennbare Vorteil scheint mir zu sein, dass Stoiber den Gewerkschaften nicht das Feld der Wirtschaftspolitik überlassen würde, jedenfalls nicht ganz. Contra: Eigentlich alles: Vor allem die rückständige Gesellschaftspolitik schreckt ab.

SPD Pro: Im Verein mit den Grünen hat die bisherige Regierung immerhin einige gesellschaftspolitische Reformen auf den Weg gebracht und den Ausstieg aus der Atomenergie durchgesetzt. Contra: Eine schlechtere Wirtschaftspolitik ist nur noch von der PDS zu erwarten. Das Grundübel der Sozialdemokratie, den Staat für die bessere Alternative zu halten, wird leider immer noch fortgeschrieben.

Die Grünen Pro: Sie haben es in den letzten vier Jahren geschafft, in der politischen Wirklichkeit anzukommen. Sie können unliebsame Entscheidungen gegen sich selbst treffen, wenn es nötig ist. Das kann die SPD beispielsweise nicht. Das Personal ist größtenteils gut, und mit dem Außenminister kann Deutschland - denke ich - mehr als gut leben. Contra: Die Liberalität der gesellschaftspolitischen Ziele überträgt sich nicht auf die - sowieso schwach ausgebildeten - wirtschaftspolitischen Vorstellungen.

FDP Pro: Als einzige Partei steht die FDP für die Forderung nach weniger Staat. In wirtschaftspolitischer Hinsicht vertreten sie die vernünftigsten Überzeugungen. Contra: Das Personal ist wirklich unter aller Sau. Lange Zeit war zu vermuten, dass die FDP eine ernsthafte Größe in einer hochindividualisierten und selbstverantwortlichen Gesellschaft würde. Seit den Ausfällen von Möllemann ist damit Schluss.

PDS Pro: Contra: In allen Belangen jenseits jeglicher Diskussionswürdigkeit.

Also, was wählen wir nun?

Die perfekte Partei gibt es nicht. Die wenigen wirklich notwendigen Maßnahmen wird keine Regierungskoalition durchsetzen können: Eine echte Steuerreform, einen Abbau bürokratischer Regulierung, die Ersetzung einiger sozialstaatlicher Leistungen durch niedrigere Abgaben-Belastung oder die gründliche Reform des gesamten Bildungsbereiches. Gerade einer Regierung Stoiber ist gar nichts zuzutrauen, dafür sitzt der Mief der Kohl-Jahre noch zu tief in den Kleidern der Union.

Waterkantville sagt deshalb: Die Zeit ist noch nicht reif für einen Wechsel. Rot-Grün muss leider bleiben.

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reform-kanzler stoiber?

Dieser Vorschlag hätte auch von mir sein können. Auf den letzten Metern entpuppt sich Stoiber ja glatt noch als Reformer, wer hätte das gedacht. Meine Stimme bekommt er zwar trotzdem nicht, aber die Reorganisation des föderalen Zuständigkeits- und Verantswortungsgefüges gehört auf die Tagesordnung - allerdings ist zu bezweifeln, ob das im Wahlkampf Sinn macht. Da wollen die Leute nur hören, "Ich schaffe Arbeitsplätze" und diesen ganzen Omnipotenz-Scheiß, den man von Politikern leider erwartet. Immerhin wissen wir jetzt, dass auch Politiker wissen, dass (mindestens) 25 - 33 Prozent unserer Vorschriften entbehrlich sind. Aber die CDU wusste ja auch schon vor vielen Jahren, dass wir ein anderes Steuersystem brauchen, und sie hat es sogar entwickeln lassen. Nur hat sie es dann in den Schubladen verschwinden lassen, weil sie nicht in der Lage war, das durchzusetzen. (Ich glaube, der Typ werkelt jetzt mit dem Konzept in irgend einem post-jugoslawischen Absurdistan herum, oder?) Genauso wäre es auch mit den Ergebnissen des Konvents. Mal abgesehen davon, dass die Vereinfachung von Verwaltung ein derartiges Minenfeld ist, dass sich bislang jede noch so geringfügige Initiative ins Nichts verloren hat. Da sitzen dann die Juristen und machen alles nieder, bis nichts mehr übrig bleibt. Yes, Minister!

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deutsche dogmen eingedeutscht

Es gehört zu meinem in den letzten 39 Jahren aufwendig entwickelten Theorie-Schatz, dass die Straßenverkehrsordnung (StVO) im gesellschaftlichen Gefüge der Bundesrepublik eine ähnliche Stellung einnimmt wie die 10 Gebote während der spanischen Inquisition. Wenn in diesem Land überhaupt noch etwas heilig ist, dann die Dogmen der StVO. Würde nicht das ganze Land aus den Fugen geraten, wenn wir ihre Vorschriften anzweifeln würden? Was würden deutsche Ordnungskräfte tun, würde es nicht die unendlichen Anwendungen dieser heiligen Schrift geben? Was würde aus unseren Richtern und Anwälten? Schließlich ist man als motorisierter Verkehrsteilnehmer seit neuester Lesart schon schuldig, wenn man auch nur den Motor startet. Was würden unsere Politiker im Sommerloch tun, könnten sie nicht hin und wieder eine kreative Erweiterung der StVO wie das Rauchverbot am Steuer in die News schleusen? Und sind nicht die Abermillionen Verkehrszeichen in diesem Land allenfalls mit den Kreuzen am Wegesrand vergleichbar, mit denen in früheren Epochen an die Allgegenwart des Herrn erinnert wurde?

Kein geringerer als Wolf Schneider, der vor allem unter Henri-Nannen-Schülern umstrittenste Sprach-Papst unserer Gefilde, hat jetzt den Versuch unternommen, die Einzigartigkeit und solitäre Ästhetik des schriftlich niedergelegten Glaubensbekenntnisses in schnödes Alltagsdeutsch zu übersetzen. Pfui, sagen wir da!

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