neu

Wir wissen, dass Peter Glaser immer wieder in der Lage ist, bemerkenswerte Dinge zu schreiben. Seltsam nur, wo man es dann findet. Zum Beispiel in einem Hochglanzheftchen der deutschen Swiss Re (die sich gerade in München einen bemerkenswerten Neubau geleistet hat und dies in ihrem Magazin zum Thema "neu" vollkommen verschweigt). Nun, wie auch immer, Peter Glaser hat für die Swiss Re einen Text zum Thema "neu" geschrieben, und er beginnt mit folgendem Absatz:

"Neu" ist meist ein kleiner Turbo an Altbekanntem. Plötzlich schwebt es, ist schnell und glitzert so gegenwärtig. Ganz kurz nur, aber man staunt. Das alltäglichste Wunder hat sich ereignet: Etwas ist auf einmal "neu".</blockquote/>Daran musste ich gerade denken, als ich die Zusammenfassung des Berichts der Hartz-Kommission gelesen habe. Die Bundesanstalt für Arbeit heißt jetzt nämlich "BA-neu". Und wie ich das sehe, will man uns damit ein kleines Wunder präsentieren. Zumindest einen kleinen Turbo an Altbekanntem.

Kurz lächeln musste ich bei folgender Hartz-Passage:

Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik müssen wirksam verzahnt und auf lokaler bzw. regionaler Ebene (sic) unter Mitwirkung aller arbeitsmarktpolitischen Akteure umgesetzt werden.
Darüber habe ich vor 15 Jahren meine Magisterarbeit geschrieben und später auch promoviert. Damals, meine Lieben, war das wirklich "neu". Heute ist das schon wieder kalter Kaffee.

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chancenlos

Schon mal versucht, ein Kind beim Amt anzumelden? Nein? Sie Glückliche(r)!

Man wird es nicht glauben, wenn man es nicht selbst erlebt hat.

Und um es vorab zu verraten: Nein, es hat nicht funktioniert. Wir sind trotz wochenlanger Vorbereitung und im Besitz aller notwendigen Unterlagen und Dokumente an der Bürokratie gescheitert. Sie glauben uns nicht? Sehen Sie, ich hätte es Ihnen vorher auch nicht geglaubt!

Man weiß ja schon vieles vorher. Zum Beispiel, dass es am Amt keine Parkplätze gibt, niemals. Es sei den, man besitzt einen Behindertenausweis. Dann hat man ungefähr 10 freie Parkplätze zur Auswahl. Es sei denn, ein paar verzweifelte Zeitgenossen parken einfach so drauf - was ich beim nächsten Mal auch tun werde. In diesem Fall nehmen sie aber ein fettes Knöllchen in Kauf, denn woran es rund ums Amt niemals mangelt, sind Wachtmeister und Politessen, die scheinbar ziellos herumschlendern.

Was man ebenfalls weiß, ist: Man hat niemals wirklich alle Unterlagen dabei, auch wenn man sich noch so große Mühe gibt. Und selbst wenn man durch einen überiridischen Glücksfall alles dabei hat, kommt garantiert irgend etwas anderes dazwischen. In unserem Fall war das die urlaubs- und krankheitsbedingte Abwesenheit von ca. 90 % aller Mitarbeiter des Jugend- und des Standesamtes. (Ja, ja, ein Amt reicht nicht, um ein Kind anzumelden. Wo denken Sie hin!) Deshalb ein Tipp: Planen Sie Ihr Kind niemals für den Sommer oder eine andere Urlaubszeit. Oder besser: Planen Sie überhaupt niemals ein Kind, Sie Irrer!

Was bei mir heute an neuer Erkenntnis hinzugekommen ist: Ihr Personalausweis, den Sie für teures Geld erstanden und auf den Sie alle zehn Jahre sooo lange zu warten haben, ist völlig wertlos. Er hat einfach keine Bedeutung. Sehen Sie: Alle Informationen, die Sie für die Anmeldung eines Kindes benötigen, stehen auf Ihrem Perso: Geburtstag, Geburtsort, Name, Wohnort oder ggfs. akademischer Titel usw. Das ist alles von fast derselben Behörde geprüft, notiert, kopiert und beglaubigt worden, und deshalb steht das alles in Ihrem Pass. Aber wenn Sie jetzt glauben, es würde auch nur annähernd reichen, Ihren Ausweis locker auf den altersbedingt schon stinkenden Tisch Ihrer Dame vom Amt zu schlenzen, und alles wäre im Lack, dann sind Sie wirklich ein armes Licht. Nein, Sie müssen sich zum Beispiel für 7 Euro als Verrechnungsscheck plus Porto eine Geburtsurkunde am Ort Ihrer Geburt ausstellen und zuschicken lassen. Ja, tatsächlich. Zurück kommt ein abgestempelter DIN A5-Zettel, auf dem Ihr Name und Ihr Geburtsort steht. Verstanden? Okay, und bitte sagen Sie jetzt nicht, dass diese Informationen alle auf Ihrem Personalausweis stehen. Ich weiß das, Sie wissen das, jeder weiß das - aber was hilft das?

Nun gut, um Ihre Geduld nicht länger zu strapazieren: Die drei Stunden gerade waren völlig umsonst. Wir haben jetzt einen neuen Termin, um Kyra anzumelden. Und wenn ich Ihnen jetzt sage, was der nächstmögliche Termin ist - nämlich am 2. Oktober - dann werden Sie mir das schon wieder nicht glauben. Aber das habe ich Ihnen ja schon vorher gesagt!

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drei gedanken

zur sog. Arbeitsmarktpolitik:

  1. Ich sehe keinen ernstzunehmenden Grund, die Vermittlung von Arbeitssuchenden als primär staatliche Aufgabe zu betrachten. (Falls jemand einen Grund findet, her damit.) Es mag und wird Bereiche geben, in denen der Sozialstaat als eine Art 2nd-Level-Support agieren muss, um krasse Benachteiligungen zu mildern. Dessen ungeachtet kann Arbeitsvermittlung jedoch primär privatwirtschaftlich organisiert sein.

  2. Eine (Arbeitslosen-)Versicherung, die ihre Beiträge nach dem Bruttoeinkommen berechnet, ihre Auszahlungen dagegen nach dem Nettoeinkommen, ist schlichtweg betrügerisch. So etwas dürfte rechtlich gesehen gar nicht geben. (Aber wir haben ja auch die Riestersche Zusatzrente, die erlischt, wenn Rentner ihren Lebensabend auf Malle - wie war das noch mit der Freizügigkeit in der EU? - verbringen!)

  3. Eine Arbeistlosenversicherung ist eine Arbeitslosenversicherung, und keine Arbeitsvermittlung, keine Weiterbildungseinrichtung, keine Subventionspool für Weiterbildungsanbieter, keine Beschäftigungsgesellschaft für Langzeitarbeitslose, kein Anbieter oder Finanzier von Sprachkursen und erst recht keine Zahlstelle für das Kindergeld.

Würde man diese drei Gedanken ernst nehmen, hätten sich vermutlich so ziemlich alle Punkte erledigt, die am Freitag im Hartz-Papier veröffentlicht werden. Aber so schlecht geht es uns noch nicht, als dass wir nicht immer noch einen drauf legen könnten in Sachen Bürokratie, Etatisierung und an den Symptomen herumkurieren.

Würden wir die Gedanken ernst nehmen, könnten wir übrigens die Lohnnebenkosten merklich senken, der arbeitenden Minderheit mehr Geld lassen und damit den Konsum und die Zufriedenheit erheblich beleben. Würde man dazu noch die Hälfte des Arbeitsrechtes (egal welche!) streichen, könnten die Ziele der Hartz-Kommission tatsächlich erreicht werden. So werden wir auch noch im nächsten Bundestagswahljahr 4 Millionen Arbeitssuchende haben.

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vorschlag

an die Hartz-Kommission:

Ich melde mich morgen arbeitslos und schaffe mir anschließend meinen eigenen Arbeitsplatz und erhalte dafür 150 000 Euro. Meine Aufgabe in dem neuen Job: Ich melde mich freiwillig in die neuen Länder, um dort die Unternehmen zu sezieren, die einen Arbeitsplatz schaffen wollen. Ich beurteile dann, ob das Angebot ernst gemeint ist oder nicht und ob man das jetzt mit 150 000 Euro unterstützt oder nicht. (Für diese Entscheidung lasse ich mir dann und wann eine Kleinigkeit zustecken, klar oder?) Ich verlege meinen ersten Wohnsitz ein paar Kilometer nach Osten und stelle dann meine Freundin als Co-Prüfer an. Dafür kassiere ich dann noch einmal 150 000 Euro. Gleichzeitig beantrage ich Fördergelder der EU, diverser Strukturförderungsprogramme und Kohäsionsfonds. Um den Kampf mit den Formularen zu schaffen, stelle ich eine weitere Person ein, streiche wieder 150 000 Euro ein und beantrage noch einmal neue Fördergelder aus anderen Töpfen. Anschließend kaufe ich einen alten Bauernhof und bewirtschafte ihn einfach nicht mehr. Dafür bekomme ich dann bestimmt eine saftige Stilllegungsprämie. Ich wandele das Gelände in ein Naturschutzgebiet um und lasse die notwendigen Arbeiten von ABM-Kräften durchführen. Bei der Gelegenheit können die mir dann gleich den Hof restaurieren. Um das zu legitimieren, kommt in den Stall ein Informationszentrum über heimische Tier- und Pflanzenarten. Um das zu betreuen, lasse ich mir weitere ABM-Kräfte genehmigen. Oder ich schaffe gleich einen festen Job für einen arbeitslosen Ökologen und nehme wieder 150 000 Euro. Bestimmt gibt es auch noch den einen oder anderen Hilfsfond, der für Naturschutzprojekte Unterstützung bereitsstellt. Das ganze mache ich dann, sagen wir, drei Jahre lang. Okay? Anschließend bin ich nicht nur reich, sondern auch Großgrundbesitzer. Ich verkaufe schließlich den ganzen Scheiß und setze mich auf einer griechischen Insel zur Ruhe.

Die Realität: Ich habe mir längst meinen eigenen Arbeitsplatz geschaffen, dafür bekomme ich nichts, nur viel zu hohe Steuern. Immerhin spare ich mir jetzt die unsinnige Arbeitslosenversicherung.

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Die 150.000.000.000 Euro-Ente

oder: Wie Herr Hartz dann doch noch die Orientierung verlor.

Der Präsident des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft, Mario Ohoven, rechnete vor, dass 150-Milliarden-Euro-"Füllhorn" über die 170.000 Unternehmen in Ostdeutschland verteilt, ergebe die stolze Summe von einer Million Euro Förderung pro Betrieb. "Das kann es doch nicht sein", meinte Ohoven.
Mehr muss man dazu auch nicht sagen. Ach ja, vielleicht noch eine zusätzliche Frage: Erinnere ich es richtig, dass der Westen den Osten jährlich mit einer ähnlich hohen Transfersumme unterstützt? Falls ja, wo bleibt dieses Geld eigentlich?

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